Lernplattform als Open Source

Viele Schulen setzen für den Fernunterricht kommerzielle Software ein, um ihre Schüler zuverlässig zu erreichen. Gerade auch, weil landeseigene Lösungen zu komplex oder unzuverlässig sind. Die Rufe nach Souveränität und Datensicherheit werden dabei zu Recht laut. Wie es Deutschland mit einer richtigen Open Source-Strategie besser machen könnte, möchte ich in diesem Beitrag skizzieren.
  • Veröffentlicht am 2021-05-02 14:55:00

Inspiriert von diesem frustrierten Post eines Kollegen aus Baden-Württemberg im #twitterlehrerzimmer (Kurzform: #twlz), fasse ich hier einige Gedanken zusammen, die mich ebenfalls seit einigen Monaten begleiten. An meiner Schule setzen wir aktuell selbst auf  Microsoft 365 mit Teams als Lernplattform. Und das aus guten Gründen: Intuitiv bedienbar, hohe Funktionalität ohne Überfrachtung, kollaborativ und vor allem zuverlässiger als manche Landeslösung. Und dennoch steht der Einsatz einer solchen Plattform eines US-Anbieters nicht ohne Grund in der Kritik. Rufe nach Souveränität und Datenschutz werden zu Recht laut. Aber wie sehen mögliche Alternativen aus? Jedes Bundesland bastelt an einer eigenen Lernplattform, zusammengeschustert aus einzelnen Open Source-Produkten, die in der Usability und vor allem auch in der Speicherkapazität und Performanz den großen amerikanischen Firmen weiter hinterher hinken. Und das auch aus guten Gründen, wie in einigen Antworten unter dem Twitterbeitrag zu lesen ist: Skalierbarkeit und Komplexität erfordern viele Mitarbeiter und den Willen, Geld zu investieren. Microsoft und Google erwirtschaften mit ihren Produkten Unmengen an Kapital, wie soll ein Kultusminsterium da mithalten? - Klingt eher wie eine Ausrede, oder?  Eine so umfassende Lösung wie Microsoft 365 oder G-Suite ist an einer Schule auch nicht nötig. Gute Alternativen gibt es aber schon jetzt und das möchte ich mit diesem Beitrag zeigen.

Wie bereits oben erwähnt, sehe ich auch die Notwendigkeit auf Datenschutz und Unabhängigkeit von großen Softwarefirmen zu achten, um die  Lernplattformen langfristig und zuverlässig in der Schule einsetzen zu können. Doch ist es da die Lösung, eine in die Jahre gekommene Open Source-Lösung wie Moodle zu benutzen, die weit entfernt von benutzerfreundlich und kollaborativ ist?  Sicher lässt sich mit einigen Tweaks auch Moodle aufhübschen und durch Plug-ins wie Onlyoffice kollaborativer werden. Doch gibt es auch andere Möglichkeiten, eine Softwarelösung, die der Google Suite oder Microsoft 365 vergleichbarer ist, umzusetzen. 

Daher stimme ich dem digitalen Lehrer in seinem Twitterbeitrag durchaus zu: Es wäre an der Zeit, eine moderne Lernplattform nach dem Vorbild großer Softwareanbieter zu bauen, um die Kompetenzen der Digitalität verlässlich und datensicher in die Schulen zu bringen.  Ein paar mögliche Lösungen, die sich besagte Programmierer:innen oder Entwickler:innen, am besten als Kooperationsprojekt der 16 Kultusministerien, ansehen könnten, wäre ein Zusammenspiel aus mehreren Open Source-Anwendungen. Als Basis der Lernplattform sehe ich bspw. das Projekt  Humhub (auch Rocket.chat wäre möglicherweise eine geeignete Alternative) als vergleichbar mit Teams an. Durch die Struktur als soziales Netzwerk, das sich in einzelnen zugriffsgesicherten Gruppen organisieren und mit vielen bereits existierenden Modulen (Jitsi, Chat, Kalender, Dateiverwaltung, OnlyOffice) erweitern lässt, bietet es eine gute Grundlage. Einzig eine Aufgabenfunktion, wie es sie bspw. in Microsoft Teams für den Bildungsbereich gibt, müsste als Modul durch besagte Programmierer:innen ergänzt werden. Zusätzlich lässt sich mit Nextcloud eine persönliche Cloud einrichten, die mit HumHub eng verzahnt werden kann. Fehlt in meinen Augen nur noch eine echte OneNote-Alternative mit Klassennotizbuch. Da habe ich leider noch keine quelloffene Alternative zu gefunden. Ein leichtes Unterfangen? Sicher nicht. Aber echte Alternativen zu den großen Softwareanbietern wären möglich, wenn  man möchte. Vielleicht wären in eine solche Lernplattform die 630 Millionen Euro des Bundes  besser investiert.

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